Zehn mögliche
Missverständnisse
in Bezug auf Achtsamkeit

1. Achtsamkeit kann ich nur im Schneidersitz oder Lotussitz üben.

Zum Glück ist das nicht so. Du kannst sehr gut auf einem Stuhl sitzen und dich darauf spüren und wahrnehmen. Und du kannst sogar Achtsamkeit im Liegen üben. Auch kannst du Achtsamkeit im Stehen und Gehen praktizieren. Das ist das wunderbare an der Achtsamkeit, sie kann in jedem Moment und in jeder Körperhaltung stattfinden. Du brauchst noch nicht einmal in einer stillen Ecke zu sitzen. Du kannst in der Natur sitzen, mitten in der Stadt oder im Zug. Genial, oder?

2. Achtsamkeit macht mich zu einem ruhigen, lieben und stillen Menschen.

Vielleicht ja, vielleicht nein. Wir sind alle vielschichtige Wesen mit zahlreichen individuellen Nuancen, und diese wechseln je nach Situation und dem, was ausgelöst wird und ausgedrückt und getan werden möchte. Möglicherweise wirst du dich durch die Übung der Achtsamkeit lebendiger und intensiver fühlen, und vielleicht wirst du dich ruhiger, friedlicher und stiller empfinden. Und vielleicht eine Mischung von alldem. Durch die Übung der Achtsamkeit wird dein innerer Raum stiller und weiter. Es kann sich anfühlen, wie in sich-selbst-zu-Hause-sein. Verbunden mit diesem inneren Raum in dir kannst du dein Leben und deinen Alltag kreativ gestalten.

3. Achtsamkeit macht mich zu einem Menschen, der alle anderen Menschen liebt.

Das wäre schön. Ganz so ist es nicht. Wenn du deinen inneren, stillen Raum mehr wahrnimmst, wirst du wahrscheinlich etwas mehr Geduld und auch mehr Mitgefühl mit anderen Menschen entfalten. Mitgefühl ist viel greifbarer als das große Wort der Liebe. Mitgefühl entsteht, wenn du deine eigenen Schwierigkeiten erkennst und annimmst. Wenn das so ist, bemerkst du auch, dass andere Menschen ähnliche Schwierigkeiten haben und aus dieser Einsicht heraus entwickelst du Mitgefühl mit ihnen. Das unterscheidet sich von Mitleid, wie du dir denken kannst. Du kannst Verständnis für andere Menschen aufbringen, ohne sie in ihrem Leid zu bestärken. Achtsamkeit lässt dich auch deine eigenen Grenzen erkennen, annehmen und diese besser kommunizieren.

4. Ich muss mich vegetarisch oder vegan ernähren, um achtsam zu sein.

Ist das wirklich so? Unsere Erfahrung ist: Durch Achtsamkeit verfeinert sich dein Geschmackssinn. Du merkst schneller, was dir bekommt und was dir nicht bekommt und das ist ganz individuell. Auf jeden Fall schmeckst du intensiver, vieles kommt dir viel schmackhafter vor und du empfindest wahrscheinlich öfters Dankbarkeit und Wertschätzung für die Lebensmittel. Erstaunlicherweise stellt sich ein zufriedenes Sättigungsgefühl schon bei kleineren Mengen ein.

5. Ich muss Buddhist sein, um Achtsamkeit zu üben.

Das musst du nicht sein. Achtsamkeit wird seit Jahrhunderten in buddhistischen Traditionen als Übungsweg praktiziert, aber auch in anderen religiösen und spirituellen Traditionen gibt es Achtsamkeitsübungen. Achtsamkeit ist an keine bestimmte Religion oder spirituelle Richtung gebunden. Auch Atheisten können sich in Achtsamkeit üben und achtsam sein. Achtsamkeit wohnt uns Menschen inne. Sie wartet nur darauf, von uns entdeckt, belebt, entfaltet und gelebt zu werden.

6. Achtsamkeit üben ist total anstrengend.

Manchmal ist die Übung der Achtsamkeit tatsächlich sehr anstrengend. Es kann passieren, dass, wenn wir uns entschließen, mit uns selbst in die Stille zu gehen, wir die eigenen Gedanken vorübergehend intensiver spüren, ebenso die Rastlosigkeit und Angespanntheit in unserem Körper. Du kennst das vielleicht. Und oft wollen wir alles richtig machen und bringen diesen Anspruch dann mit in die Meditation. Wenn wir eher unangenehme Zustände in uns spüren, wollen wir gar nicht mit ihnen sein und uns lieber ablenken.

Uns stehen sehr viele Möglichkeiten der Ablenkung zur Verfügung. Aber bringt dir die Ablenkung wirklich tiefere Entspannung und Ruhe? Ablenkung kann momentan Erleichterung bringen. Ablenkung hat durchaus ihren Wert und gehört auch zu unserem Leben. Für eine Weile mit unseren inneren unangenehmen Zuständen zu sein, hat auch einen sehr hohen Wert. Bei der Achtsamkeitsübung musst du nichts mit diesen Zuständen machen. Du bist mit dir und siehst und beobachtest diesen Zustand. Du wirst bemerken, dass sich dieser Zustand im Lichte deiner Achtsamkeit verwandelt und du daraus gestärkt hervorgehst. Mit der Zeit weißt du, dass du diesen unangenehmen Zuständen begegnen kannst und sie dir immer weniger anhaben können. Du bist der große, weite Raum, in dem sie stattfinden. Sie kommen und sie gehen. Du kannst dich dann mehr und mehr in dich selbst hinein entspannen und im Lichte deiner Achtsamkeit diverse Zustände beobachten und dein Inneres erforschen. Das stärkt dein Selbstvertrauen.

7. Achtsamkeit ist langweilig.

Eigentlich ist eher das Gegenteil der Fall. Durch Achtsamkeit fühlst du intensiver und nimmst vollständiger und klarer wahr. Auch hast du ein Gefühl dafür, was dir gut tut und was du eher meiden möchtest. Du lernst dich besser kennen, und das macht dein Leben definitiv interessanter. Es fällt dir leichter, eingefahrene Muster zu erkennen und loszulassen, dadurch kannst du spontaner und lebendiger in Situationen reagieren. Du gehst mit dem Flow.

8. Achtsamkeit macht mich zu einem weltfremden Menschen.

Vielleicht ist diese Vorstellung aus all den Bildern entstanden, die wir im Kopf haben von Yogis und weisen Frauen und Männern, die in den Bergen in einer Höhle sitzen und scheinbar nichts anderes tun, als zu meditieren, um einen bestimmten Zustand zu erreichen und darin zu verweilen. Man könnte es als weltfremd bezeichnen, aber auch das hat seine Berechtigung und ist ein Ausdruck von dem, was Menschen aus ihrem Leben gerne machen. Unsere Erfahrung ist: Achtsamkeit kann mitten im Leben geübt und gelebt werden. Achtsamkeit kann an einem ruhigen Ort praktiziert werden, um sich darin zu vertiefen und sich mit ihr vertraut zu machen. Und Achtsamkeit kann in jeglicher alltäglichen Tätigkeit anwesend sein. Achtsamkeit verfeinert all das, was wir tun und vermag jedem Augenblick mit Sinn und Lebendigkeit aufzuladen.

9. In der Achtsamkeitsübung kommt es auf den Geist an und nicht auf den Körper.

Das ist ein Missverständnis, dass auf einer Annahme beruht, dass Körper und Geist getrennt sind und Spiritualität sich eher dem Geist widmet. In manchen religiösen und spirituellen Praktiken findet sich auch eine Art Körperleugnung. Wir haben einen Körper und leben in einer Welt der greifbaren Form. Warum unseren Körper negieren? In der Achtsamkeitsübung, wie wir sie kennenlernten und unterrichten, kann unser Körper eine sehr wichtige Rolle spielen. Der Körper und seine sinnlichen Empfindungen können dir als Anker für deine Achtsamkeit dienen.

Halten wir uns sehr in unserer Gedankenwelt auf, so kann es sein, dass unsere Präsenz im Hier und Jetzt schwächer ist. Oft spüren wir dann noch nicht einmal mehr unsere Füße, d.h. wir haben weniger Bewusstheit für die gegenwärtige Situation, in der wir uns befinden. Die körperlichen Empfindungen, z.B. das bewusste Ein- und Ausatmen als Anker für die Achtsamkeit zu nutzen, hat deshalb einen positiven Effekt: Wir füllen unseren Körper mit wacher, achtsamer Präzenz. Wir kommen wieder im sogenannten Hier und Jetzt an, Punktlandung!

10. Bei achtsamkeitsbasierter Massage wird nur sanft und leicht berührt.

Auch die sanfte Kraft ist eine Kraft. Damit fängt eine gute Massage an, ohne jedoch darauf beschränkt zu sein. Achtsamkeit in der Massageausübung bedeutet z.B., konzentriert für einen Menschen da zu sein und die Anliegen an die Massage fachgerecht und mit geschultem „Fingerspitzengefühl“ zu behandeln. Bei der TouchLife Massage geht es um sicheren und satten Kontakt „freundlicher Hände“, die bewährte und klassische Massagetechniken auszuführen gelernt haben. Je nach Körpersegment und dem jeweiligen Aufbau der Muskel- und Gewebsschichten wird leicht, mittel oder druckfester massiert. Wichtig ist uns dabei, auf das individuelle Druckempfinden der Klienten einzugehen: Was eine Person als festen Druck empfindet, ist für eine andere Person noch eine leichte Berührung. TouchLife Praktiker passen ihre Behandlungstechnik  so an, dass sich jede/r Klient/in während der Massagebehandlung respektvoll und stimmig, wirksam und angenehm berührt fühlt. In einem weiteren Blog gehen wir noch differenzierter darauf ein, was man unter einer „Achtsamkeitsmassage“ versteht.

Abschließend:

Achtsamkeit ist Wertschätzung und Respekt für das Leben und jegliche Lebensform. Jedes Wesen und jedes Ding – und das meint z.B. Mensch, Tier, Pflanze, Gestein, Wasser – ist wichtig. Keines ist wichtiger als das andere. Alles spielt zusammen und bildet ein großes lebendiges Ganzes. Nicht alles davon müssen wir lieben oder gerne haben, aber zumindest anerkennen und achten, dass es genauso zum Leben gehört wie wir.

Noch mehr Missverständnisse?

Schreib uns an team@touchlife.de, wenn dir noch mehr dazu einfällt oder du eine Frage zu diesem Thema hast.

Neugierig? Möchtest du mehr erfahren über Achtsamkeitsmeditation?

Kali Sylvia von Kalckreuth und Frank B. Leder bieten mehrmals im Jahr offene Retreat-Seminare für alle Menschen an, die sich für Achtsamkeit und Meditationsübungen interessieren. Auf der Website www.achtsamkeitsmeditation.net findest du alle Informationen, Termine und Veranstaltungsorte.

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