Was ist Intuition und welche Rolle spielt sie in der Berührungsarbeit?

Dieser Beitrag von Kali Sylvia Gräfin von Kalckreuth und Frank B. Leder erschien im März 2022 im „Maas Magazin bewusst und erfüllt leben

Was Intuition für uns bedeutet

Für uns ist Intuition eine geistige Fähigkeit, die Frauen und Männern von Kind an bis in das hohe Alter gleichermaßen innewohnt. Nicht jede/r vermag auf die gleiche Weise diese Fähigkeit für sich zu nutzen. Intuition erleben wir als innere Wahrnehmungsqualität. Mit Hilfe der Intuition erfassen wir z.B. augenblicklich eine komplexe Lebenssituation, ihre Vielschichtigkeit und damit verbundene Fragen nach Ursache, Beziehung und Bedeutung derselben.

Es gibt verschiedene Zugänge. Wenn Menschen über ihre Intuition sprechen, fällt auf, dass sie ganz unterschiedliche Worte dafür finden. Manche empfangen Bilder (Sehen), andere nehmen eine innere Stimme wahr (Hören), haben intuitive Einsichten (Denken) oder orientieren sich an ihrer emotionalen Stimmigkeit (Fühlen). Und dann gibt es Menschen, die erleben körperlich (Spüren) intensiv, was für sie richtig ist und beziehen sich dabei z.B. auf ihr Bauchgefühl, ein energetisches Pulsieren in den Händen oder was ihr Herz ihnen eingibt. Viele Menschen sind mit ihrer Intuition auch über mehrere der erwähnten Kanäle verbunden und deshalb nicht auf einen einzigen angewiesen. Intuition öffnet einen inneren Bewusstseinsraum des Verstehens und des Mitgefühls. Intuition ist der Schlüssel, der Menschen individuell aus dem kollektiven und kosmischen Bewusstseinsfeld schöpfen lässt.

Was fördert Intuition und was hemmt sie?

Wir wissen aus unserer Erfahrung und der vieler anderer Menschen, dass bestimmte Voraussetzungen den Zugang zur Intuition erleichtern und fördern. Sehr hilfreich ist es, einen Raum innerer Ruhe und Stille in sich zu erschaffen, z.B. durch Achtsamkeitsübungen, Meditation oder Naturaufenthalte. Es scheint, dass alles, was unsere Gedanken zur Ruhe kommen lässt, das Karussell der Gedanken verlangsamt, der Intuition die Tür öffnet. So entsteht eine Art Lücke im Getöse der gedanklichen Betriebsamkeit, die sich so oft sorgt, ängstigt oder mit Planen befasst ist. In diesen Lücken kann die Intuition aufsteigen, als Gedanke, als Bild, als inneres Wissen, als Gefühl oder körperliche Empfindung. Hemmend für intuitives Gewahrsein sind äußerer Lärm, Stress, Überforderung oder das Festhalten an vorgefassten Meinungen. Manchmal sucht sich die Intuition dann den Weg über das Träumen.

Entscheidungsfindung kann intuitiv geschehen

Uns persönlich ist Intution wichtig. Wir sind gemeinsam kreativ und aktiv unternehmerisch tätig. Wir bilden Massagebehandler in der von uns begründeten TouchLife Methode aus und moderieren ein internationales Behandler-Netzwerk. In unserer Arbeit geht es um Menschen. Sowohl in der Einzelarbeit, beim Unterrichten von Gruppen oder den Leitungsaufgaben auf Verbandsebene suchen wir täglich den richtigen Weg. Entscheidungen treffen wir entweder aufgrund bestehender Erfahrung; oder wir suchen nach dem stimmigen Bauch- oder Herzgefühl und schlagen intuitiv einen neuen Weg ein, wenn die Situation ein Wagnis gestattet und wir offen für neue Lösungen sind. Dabei stellen wir fest, dass wir uns auf unsere Intuition – so sie sich meldet – sehr gut verlassen können und sich gerade intuitive Entscheidungen in der Rückschau oft als richtig erweisen.

In unserem Erleben ist Intuition wie ein zusätzlicher, sechster Wahrnehmungssinn, der uns gleichsam im Innern als weitere Informationsquelle zu den äußeren Sinneseindrücken oder bereits erlernter Strategien dient. Auf die Intuition zu hören, ist aber nicht gleichbedeutend mit danach zu handeln. Die Verantwortung für das Handeln tragen wir ja in jedem Fall, ob wir nun „vom Kopf“ oder „intuitiv aus dem Bauch“ oder „aus dem Herzen“ entscheiden, körpersprachlich ausgedrückt. Aber so wie Kopf, Bauch und Herz zu einem Körper gehören und wir jeden Schritt immer nur im Ganzen machen können, ist für uns auch die Intuition integriert im Sinne eines Sowohl-als-auch statt eines trennenden Entweder-oder. Einer intuitiven Wahrnehmung schließt sich also ein selektiver Entscheidungsprozess an, in dem wir abwägen, wie wir uns in der Situation insgesamt verantwortlich verhalten möchten.

Die intuitive Sprache der Berührung

In Massageberufen spielt die Intuition eine herausragende Rolle. Beim Massieren ist man Menschen körperlich nahe. Jeder Mensch ist einzigartig, was sich auch im Körper und Energiesystem manifestiert, auf welche die Massage eingeht. Deshalb gleicht bei erfahrenen Behandler*innen keine Massage der anderen. Vor einer Massage erfragen wir die Anliegen unserer Klient*innen und entwerfen für sie ein individuelles Behandlungsmuster. Dies geschieht im Vorgespräch. In diesem Gespräch hören wir ganz bewusst zu. Wir hören auf die Feinheiten der Sprachen, achten auf die Stimmung und auf das, was zwischen den Zeilen gesagt wird. Wenn wir dann an der Massageliege stehen, wechseln wir auf eine ganzheitliche Berührungsebene. Über den Sehsinn nehmen wir die lebendige Atembewegung wahr. In diesem Schauen können sich uns schon vielfältige Informationen mitteilen. Diese Information nehmen wir zum einen bewusst als Gedanken, Gefühl, Stimmung oder körperliches Empfinden wahr und zum anderen fließen diese Informationen unterbewusst in uns ein und übertragen sich dann auf die Hände, die intuitiv wissen, wie das Wahrgenomme in eine Berührung umzusetzen ist.

Hände sind Feinwerkzeuge intuitiven Wissens

Die Hauptaufmerksamkeit ist während der Massage also auf der Berührungsebene. Auf dieser Ebene spüren wir als Behandler*innen vielfältige Eindrücke. Sensitive Hände nehmen ständig wahr, wie sich der berührte Körper, also der Mensch, den wir anfassen, anfühlt und auf die Berührung reagiert. Ist die Haut warm oder kühl? Ist das Gewebe weich, gespannt oder hart? Strahlt eine Zone eine bestimmte Energie aus, die ausgestrichen werden möchte oder sehnt sie sich nach Aufmerksamkeit und ruhigem Halt? Diese gefühlten, sich auch ständig wandelnden Ereignisse, melden uns die berührenden Hände im Sekundentakt. Ob wir dann fester oder leichter drücken, schneller oder langsamer streichen, kürzer oder länger an einer Stelle verweilen – all das „wissen wir intuitiv“ bzw. wir überlassen diese Entscheidungen der intuitiven Arbeitsweise unserer Hände. Dann lassen wir uns überraschen, ob die Hände den nächsten Massagegriff fest oder leicht, dynamisch oder ruhig anwenden und schauen uns selbst dabei zu, wie die Hände die „richtigen“ Stellen finden.

Diese Arbeit entsteht im Augenblick, sie ist schöpferisch und für die Klient*innen hochwirksam. In diesem Stadium wird aus dem Handwerk eine Kunst. Allerdings erfordert eine solche Massage seitens der Ausführenden eine bewusste Offenheit der Sinneswahrnehmung sowie die Fähigkeit, sich augenblicklich immer wieder neu auf einen Menschen beziehen zu können.

Intuition und fundiertes Wissen

Intuition und fundiertes Wissen widersprechen sich nicht. Sie gehen idealer Weise Hand in Hand. In der Körperarbeit scheint eine intuitive Vorgehensweise, gepaart mit fundiertem Wissen im Vorteil gegenüber einer rein mechanischen Behandlungstechnik zu sein, die immer wieder einem Schema folgt, das irgendwann einmal gelernt und abgespeichert wurde und dann nur noch abgespult wird. Aus diesem Grund sehen wir als Massage-Lehrer unsere Aufgabe auch darin, die angehenden Behandler*innen zum einen in bewährte Behandlungstechniken und Fachwissen einzuführen, damit sie ein Gerüst für eine fundierte Massagearbeit haben. Zum anderen bieten wir im Unterricht Übungen an, die Achtsamkeit und Intuition fördern. Angehende Behandler*innen werden auch in ihrem intuitiven Einfühlungsvermögen geschult, damit sie ihre handwerklichen Fähigkeiten immer dem aktuellen Prozess der Empfangenden anpassen können. Wer sich auf diesen beiden Kompentenzfeldern entwickelt, kann im Massagebereich überdurchschnittlich gute Arbeit leisten, häufig dankbare Rückmeldungen bekommen und beim Arbeiten langfristig mehr Zufriedenheit und Sinnhaftigkeit erleben.

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