Gabriele Ruys steht nach einigen Jahren buddhistischer Praxis mitten in einem bewussten und achtsamen Leben, das sie in verschiedener Hinsicht herausfordert, als sie die Diagnose Brustkrebs erhält.

Dieser Patientenbericht von Gabriele Ruys erschien auch im Herbst 2021 im Magazin „momentum“, herausgegeben von der Gesellschaft für biologische Krebsabwehr e.V.

Glückskrebs – von Gabriele Ruys

„Ich weiß, „Glückskrebs“ klingt wie eine Provokation. Jedoch im Rückblick auf meinen Heilungsweg ist es das Gefühl und das Resumé, das für mich stimmig ist.

Vorher

Ich habe in meinem Leben fünfmal von vorne angefangen: Zweites Staatsexamen für das Lehramt, Banklehre, eine sinnsuchende Flucht nach Irland, acht Jahre Tätigkeit für einer US-amerikanischen Computerfirma. Immer war ich auf der Suche nach Sinnhaftigkeit in meinem privaten und beruflichen Leben. In einer tief depressiven Phase habe ich 1998 die Methode der TouchLife Massage kennen gelernt. Diese achtsamkeitsbasierte Massagemethode hat zum Ziel, Körper und Geist bewusst zu verbinden und in Einklang zu bringen. Es war die Berührung, die mir mein Leben lang gefehlt hat, berühren und berührt werden – das habe ich zu meinem Anker gemacht und bin diesen Weg konsequent weiter gegangen. Nach meiner Ausbildung bin ich seit 1999 als TouchLife Praktikerin und inzwischen auch als Yogalehrerin selbständig. Ich liebe diese Arbeit, die ich in eigener Praxis und für Firmen im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements ausübe.

Über 20 Jahre habe ich Fortbildungen besucht und bin immer weiter eingestiegen in tiefgehende Behandlungsmöglichkeiten, die Organe, Meridiane, Chakren, Reflexzonen, Energiearbeit, das Nervensystem und Gehirnareale einbeziehen. Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen hat mich über viele Jahre gelehrt, wie wunderbar unser Körper aufgebaut ist, und wie ich selbst mit meiner Einstellung und meiner Bewusstheit für Zusammenhänge mein eigenes Wohlbefinden und das anderer Menschen positiv beeinflussen kann. Mein Yogaunterricht bewährt sich auch für mich als „Altersvorsorge“ für die Beweglichkeit von Körper und Geist.

Ich bin seit 45 Jahren Vegetarierin und lebe ein bewusst unabhängiges und selbstbestimmtes Leben. Ich lebe allein und habe keine Familie, keine Verwandte, aber gute Freunde. Schon immer war mir bewusst, dass ich im Falle einer Erkrankung keinerlei Anspruch auf Unterstützung habe. So habe ich viele Jahre hindurch besonders auf meine Gesundheit geachtet, bin achtsam und bewusst mit mir und meinem Körper umgegangen. Zu diesem selbstbestimmten Weg gehörte allerdings auch die Existenzangst, zunehmend mit fortschreitendem Alter – ich bin heute 66 Jahre alt: Schaffe ich das, verdiene ich genug, um meine Miete, Steuern, Versicherungen zahlen zu können? Was mache ich, wenn ich krank werde?

Ich hatte ein gutes, aber oft mühsames und angstbesetztes Leben. Geholfen hat mir immer mein Freundes- und Kollegennetzwerk und mein angeborenes „Sport-Gen“: immer in Bewegung, an und über Grenzen gehen, Berge besteigen. Seit acht Jahren bin ich praktizierende Buddhistin, unterstützt von einer erleuchteten Meisterin, die den „Sozialen Buddhismus“ geprägt hat und so die östliche Lehre auf die Herausforderungen der westlichen Welt überträgt. An vielen Orten in Europa haben Schülerinnen und Schüler Meditationszentren gegründet, um diese Lehre gemeinsam zu praktizieren. Die tiefe Weisheit des Buddhismus, die Lehrreden meiner Meisterin – ihre Daily Sutras – haben mich in meinem Leben und Arbeiten unterstützt. Zu den regelmäßigen Übungen gehören Bewegung, Singen, Meditation und Schreiben. Verbundenheit untereinander und mit unserer Meisterin entsteht auch durch das Mantra, das gemeinsam gesungen wird und im Stillen gesagt werden kann. Die buddhistische Orientierung gilt dem Wohlergehen aller Menschen, besonders der nahestehenden Mitmenschen, niemandem Kummer oder Leid zu verursachen. Durch diese Praxis konnten in meinem Leben viele alte Muster und Schmerzen aufgelöst werden.

Diagnose

Bei einer Vorsorgeuntersuchung bei meinem Frauenarzt habe ich erfahren: ein Tumor in der linken Brust. Nein, es war kein Schock und auch keine Angst, die mich überfallen hat. Mein erster Gedanke war: OK, jetzt habe ich eine Aufgabe – gut durch alles durchzugehen, was auf mich zukommen würde, und gleichzeitig so, dass sich die Menschen, die mir nahe sind, keine Sorgen um mich machen würden. Auch meiner Lebensaufgabe war ich mir bewusst, klar formuliert, von meiner Meisterin bestätigt und schriftlich festgehalten. „Ich habe noch viel zu tun, diese Aufgabe ist wichtig und noch lange nicht erfüllt.“ Diese Ausrichtung war und ist mein Anker bis heute. Zu keiner Zeit habe ich auch nur eine Sekunde ans Sterben gedacht. „Ich gehe da durch und schaffe das. Was denn sonst?“

Doch wie wollte ich mit dieser Diagnose nach außen umgehen? Mein organisatorisch geschultes Gehirn hat sofort eine Leitlinie entwickelt. Instinktiv wusste ich, was ich auf meinem Weg brauche und was nicht. In der ersten Mail an meine Freundinnen und Freunde, in der ich von der Diagnose berichtet habe, habe ich dann auch geschrieben:
„Was ich mir von Dir wünsche, um was ich Dich bitte:
– Bitte keine Gespräche über die Krankheit. Ich spreche sie an, wenn mir danach ist.
– Kein Mitleid, keine traurigen Gesichter.
– Keine Gesundheitstipps und „ich habe gelesen …“, „ich habe gehört, dass …“. Ich bin gut versorgt und betreut von professionellen Behandlern. Das fühlt sich sehr, sehr gut an.
– Auch keine Krankheitsgeschichten von anderen Brustkrebsbetroffenen. Jeder Verlauf ist anders und jede Frau geht ganz individuell damit um.
– Ich melde mich, wenn ich Unterstützung brauche.“

Alle haben sich daran gehalten!

Der Tumor war deutlich eingegrenzt, es gab keine weiteren Metastasen, ich fühlte mich gesund und fit. Ich war genervt von den vielen Untersuchungsterminen mit teilweise sehr langen Wartezeiten, die mir wertvolle Zeit genommen haben, zu arbeiten und das Geld für meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich konnte sehr deutlich merken, dass in unserem Gesundheitssystem Selbständige kein Verständnis finden. „Wieso, Sie sind doch krank geschrieben!“ lautete die Standardantwort des Personals, was ich zunehmend als unverschämt empfunden habe. Mein wachsender Widerstand hat mir nicht gut getan, alles wurde anstrengender. Hilfe und Unterstützung bekam ich aus meinem professionellen Netzwerk von Kolleginnen und Heilpraktikern, die mir Mut gemacht haben, mir Zeit zu lassen. So konnte ich auf meine Seele hören, um Schritt für Schritt meinen eigenen Weg zu gehen – stärkende Massagen, weitere Fortbildungen und schließlich die OP. Um den Jahreswechsel zur Genesung zu nutzen, und um den Arbeitsausfall gering zu halten, habe ich darauf bestanden, die OP direkt vor Weihnachten durchführen zu lassen. Bis dahin waren es noch etwa vier Monate, die Ärzte liefen Sturm dagegen und haben versucht, mir Angst zu machen. Mein Frauenarzt war jedoch bereit, meine Entscheidungen zu akzeptieren. Seiner Einschätzung nach rechtfertigte die Klassifizierung des Tumors diese Wartezeit durchaus.

Nach jedem Untersuchungs- und Beratungstermin habe ich eine entfernte Freundin im Hospiz besucht. Seit Jahren zieht es mich Richtung Sterbebegleitung, besonders nachdem ich meine beste Freundin in Schottland auf ihrem Weg ins Licht begleitet hatte. Mit ihr habe ich zum ersten Mal erfahren dürfen, wie hilfreich und tief berührend für beide kleine Massagen sein können – schmerzlindernd, angstreduzierend, beruhigend. Der Atem vertieft sich und der ganze Körper entspannt sich. Dies konnte ich nun auch anwenden, um meine Freundin im Hospiz zu unterstützen. Außerdem holte mich die Konzentration auf den kostbaren Moment, einer anderen Person eine wohltuende Zeit zu verschaffen, aus meinem eigenen Gedanken-Karussel. Es gab Wichtigeres als meinen Tumor.

Die Operation

Ich hatte mich für die vollständige Entfernung der linken Brust entschieden, ganz im Modus: Es muss schnell gehen und möglichst ohne Nachbehandlung ablaufen. Auf die OP habe ich mich bewusst vorbereitet, Sport und Yoga gemacht, noch mehr meditiert und so viel wie möglich geschlafen. Ich fühlte mich zu keiner Zeit krank oder geschwächt. Stärkende Massagen haben mein Nervensystem beruhigt und mir das Gefühl gegeben, dass ich gut aufgehoben und getragen bin. Mein Körper hat sich fit und stark angefühlt. Mein Blutdruck war eine Viertelstunde vor der OP normal bei 110:70, trotz kleiner Irritationen vonseiten der mich begleitenden Schwester. Nein, ich war nicht aufgeregt. Ich habe das Mantra meiner Meisterin still vor mich hingesagt und konnte dem erfahrenen Ärzteteam vertrauen. Meine Heilpraktikerin und eine Freundin waren da, als ich aufwachte. Wie beglückend! Nach der OP brauchte ich keinerlei Medikamente, auch keine Schmerzmittel, und seitdem habe ich bis heute keine Medikamente eingenommen.

Am Tag nach der OP habe ich mein „Treppentraining“ aufgenommen: fünfmal am Tag dreimal vom Keller bis in den fünften Stock, ich wollte fit bleiben und hatte wie immer Bewegungsdrang. Zwei Wochen nach der OP habe ich wieder angefangen zu arbeiten: Termine in meiner Praxis, an zwei Tagen mobile Massagen in der Firma mit 14 Behandlungen pro Tag und Yogaunterricht. Drei Wochen nach der OP bekam ich wieder eine Massage. Ach, wie wunderbar war das. Ich habe die vertrauten Berührungen ganz neu erlebt. Mein Körper war doch gesund nach der vollständigen Entfernung des Tumors. Die achtsamen Berührungen halfen mir, von der totalen Aufmerksamkeit auf den OP-Bereich – ist auch alles in Ordnung dort? – wieder im ganzen Körper anzukommen. Der fühlte sich ja nach wie vor gut, kraftvoll und gesund an. Ich jubilierte innerlich über diese Erfahrung und versöhnte mich mit der langen Narbe und dem tauben Gefühl in der Achselhöhle und an der Innenseite des Oberarmes. In diesen Bereichen tat die sanfte Massage besonders gut und brachte die Energie wieder ins Fließen. Meine 20 cm lange Narbe habe ich gut gepflegt, mit einer speziellen Narbencreme behandelt und bis heute massiere ich jeden Tag liebevoll eine duftende Lotion ein. Man sieht sie kaum noch, und das Gewebe ist weich und elastisch.

Leider waren in fünf von zwölf bei der OP entfernten Lymphknoten Krebszellen nachweisbar. Daher wurde mir eine Chemotherapie vorgeschlagen, später dann auch noch die volle Packung Chemo-, Hormon- und Strahlentherapie. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch voll konzentriert auf schnelle Genesung, um so schnell wie möglich wieder arbeiten zu können. Informationen über diese Therapien habe ich nicht eingeholt. Ich hatte keine Zeit. Meine Heilpraktikerin versicherte mir, dass sie mich gut durch die Chemo bringen würde, und ich glaubte ihr.

Nach der OP: Weiter so?

„Sechzehnmal Chemo“ lautete die Empfehlung. Ich ahnte schon, dass ich diesen Weg nicht bis zum Ende gehen würde. Mal sehen, dachte ich, wie lange ich arbeitsmäßig durchhalte. Die Chemo hat immer freitags stattgefunden, damit ich das Wochenende zum Ausruhen nutzen konnte. So war mein Alltag nun getaktet in buddhistische Morgenpraxis, Arbeit, Essen, Ausruhen, Abendmeditation. Zwischendurch Gerätetraining, Büroarbeit, die übliche Hausarbeit. Nach jeder Chemo holte mich eine Freundin ab, fuhr mich nach Hause und kochte für mich. Dass mein Körper in gesunder Weise auf die Chemotherapie reagiert, haben mir Hautausschläge in der Region von Leber, Nieren, Magen gezeigt. Alle zwei Wochen habe ich eine stärkende, beglückende Massage bekommen, mit der ich immer wieder aufs Neue erleben konnte, dass mein Körper stark ist, und dass ich meiner Wahrnehmung vertrauen kann. Es war so beglückend, nicht nur zu wissen, sondern durch die Berührungen auch zu spüren, dass sich alles gut und gesund anfühlte.

In der wenigen Zeit zwischendruch versuchte ich bei verschiedenen Ämtern und Institutionen zu erfahren, ob ich nicht doch Anspruch auf irgendeine Form der finanziellen Unterstützung hätte. Nein, es gab nichts. Es war ein entwürdigendes Spießrutenlaufen, das mich zunehmend erschöpfte. Als ich bereit war aufzugeben, erhielt ich die Info über den Härtefonds der Deutschen Krebshilfe. Da endlich stieß ich auf eine verständnisvolle Mitarbeiterin und ohne große Umstände bekam ich dann sogar den Höchstbetrag von 800 Euro ausgezahlt. Dieser Betrag ermöglichte mir zwar nicht, weniger zu arbeiten, aber es war wie Seelenbalsam, etwas weniger Existenzangst.

Die Behandlungen, die ich in dieser Zeit geben konnte, beglückten mich. Ja, es wurde zunehmend anstrengender, aber bei der Arbeit war ich immer voll fokussiert auf meine Klienten, die mich wiederum gestärkt haben durch ihr positives Feedback und die Vorfreude, wenn sie zur Tür reinkamen, die entspannten Gesichtszüge und das Lächeln nach der Massage. Es war ein beiderseitiges Geben und Nehmen, wie ich es in dieser Intensität noch nie erlebt hatte.

Mein „Chemoprofessor“ war jede Woche aufs Neue irritiert über meine Fitness, meine Blutwerte, dass ich immer noch arbeitete. Wenn ich die Naturheilkunde erwähnte, die mit vielen verschiedenen Mitteln die Ausleitung und Stärkung von Thymus, Nerven, Nieren und Leber unterstütze, war er nicht mehr interessiert, so wie leider alle Ärzte, denen ich begegnet bin – bis auf meinen lieben Frauenarzt. Ich habe darauf bestanden, dass auch er mich nicht weiterhin als Krebspatientin bezeichnete. Der Tumor war raus, somit war ich gesund!

Körper und Geist

Im Rückblick ist mir schleierhaft, wie ich das geschafft habe. Es gibt viele Faktoren, die dazu beigetragen haben. Für mich steht jedoch fest, dass der wichtigste Impuls von meiner Meisterin kam, die mich auf allen Ebenen des Seins begleitet hat. Ihre Empfehlung war, gewissenhaft das Mantra zu sprechen, das mich mit ihrer Energie verbindet. Ich konnte ihr vertrauen, und meine Sorgen sind in den Hintergrund getreten. Ein Zitat ist mir immer wieder durch den Kopf gegangen und hat mir ein tieferes Verständnis für meine Gesundheit vermittelt: „Aber vergiss nicht: dein Geist ist ein sehr wichtiger Faktor für den Zustand deiner Gesundheit. Der Geist macht den Körper, der Körper macht nicht den Geist. Lass dich also nicht von deinem Körper einfangen und habe immer große Hoffnung und große Achtsamkeit. Dann wirst du in der Lage sein, ein längeres und bedeutungsvolleres Leben für andere zu führen.“ (Auszug aus Daily Sutra 5437 von Ji Kwang Dae Poep Sa Nim, 29. April 2007, Lotus Buddhist Monastery).

Ich spürte immer mehr, wieviel Macht mein Geist hat. Verbunden mit dem Wissen, dass mein Körper gesund sein möchte und alles tun wird, um das auch zu erreichen, wenn ich ihm vertraue und ihn „mal machen lasse“. So kam ich schließlich zu der Gewissheit, dass die Chemo nichts für mich ist. Welch ein Irrsinn: Ich bin doch gesund und tue meinem Körper nun diesen Beschuss mit belastenden Substanzen an. Nach sieben von 16 Sitzungen beendete ich die Chemotherapie auf eigenen Wunsch. Es war ein Fest! Meine „Auftritte“ in der Chemopraxis waren beendet. Ich nenne sie so, weil meine Einstellung mich auch hier positiv getragen hat. Wie schon erwähnt, hat der Buddhismus mich gelehrt, mich immer so zu verhalten, dass andere sich mit mir wohlfühlen. Durch meine Arbeit mit Menschen hatte ich ja schon viele Jahre Übung darin, mich schön zu kleiden, manchmal auch mit Make-Up nachzuhelfen, aus mir heraus zu lächeln, kurz, einfach so auszusehen und auch auszustrahlen, dass es mir gut geht. Zu jeder Chemo habe ich mich geschminkt, schön angezogen, die Perücke aufgesetzt und bin beschwingten Schrittes mit einem Lächeln in den großen Raum getreten, wo Patientinnen und Patienten im Halbrund meist mitgenommen und leidend „am Tropf hingen“. Jede Person, die mich angesehen hat, habe ich angelächelt, und manchmal kam ein Lächeln zurück. Dies war auch ein Geschenk an mich.

Während dieser fünf Monate habe ich wöchentlich mein Gerätetraining absolviert. Interessanterweise hat meine Kraft kaum nachgelassen, die Ausdauer jedoch war mehr und mehr in den Keller gerutscht. Doch ich wusste, dass ich mich schnell erholen würde. Die Haare begannen schon wieder zu sprießen. Zwei Wochen nach dem Ende der Chemotherapie erwartete mich ein Urlaub auf Korsika. Dort konnte ich schon wieder in sechs Stunden 500 Höhenmeter bei Temperaturen über 30° C ohne große Anstrengung wandern. Ich war unendlich glücklich und stolz, vor allem aber dankbar für all die Menschen, die mich durch diese Zeit getragen hatten.

Die Chance, endlich besser für mich zu sorgen

Langsam hat sich mein Leben neu geordnet. Ich begann erst schleichend, dann mehr und mehr, mich mit der Ursache meiner Krankheit auseinander zu setzen. Warum wurde mir dieser Tumor „geschenkt“? Was wollte er mir mitteilen? Die Antwort lag nah und manifestierte das, was ich in meinem selbständigen und unabhängigen Leben viele Jahre meist unterdrückt habe:
– Ich habe über 20 Jahre mit fast permanenter Existenzangst gelebt.
– Ich habe mich nie geliebt gefühlt.
– Für meine Eltern war ich nie fleißig, erfolgreich und gut genug.
– Dementsprechend war ich permanent damit beschäftigt, zu beweisen, dass ich gut genug bin.
– Ich habe mich oft über meine Grenzen ausgepowert und mich auch noch gut dabei gefühlt.
– Mit den Jahren war ich zunehmend erschöpft durch Selbständigkeit, Arbeit, Fortbildungen, etc., ich habe jedoch keine Möglichkeit gesehen, mein Pensum zu reduzieren, da ich nur eine Minirente erwarte.

Ich habe schnell verstanden, dass dieser Tumor meine Chance war, mein Leben nachhaltig zu verändern, denn ich habe durch die vielfältigen Erfahrungen auf meinem Heilungsweg erlebt und verstanden,
– dass immer für mich gesorgt ist,
– dass ich geliebt werde,
– dass ich niemandem etwas beweisen muss,
– dass ich gut genug bin und Fehler machen darf und
– dass ich eine wundervolle Arbeit und Aufgabe habe, die mein Leben reich und sinnvoll macht.

Ich hatte verstanden, warum ich diesen Weg gehen musste, und ich würde mein Leben dementsprechend ändern. Demzufolge würde ich auch gesund bleiben. Als ich mich gegen eine Hormontherapie entschieden habe, hat mein Frauenarzt dies ohne Einwände akzeptiert. Doch leider kommen seiner Erfahrung nach nur wenige Patientinnen aufgrund ihrer Krebserkrankung zu solchen Erkenntnissen.

Und jetzt?

Durch die Pandemie habe ich im vergangenen Jahr meinen Firmenjob verloren, der bislang zwei Drittel meines Einkommens gesichert hat. Doch auch dies kann ich nun als Geschenk sehen: Ohne Kündigung hätte ich noch Jahre „durchgehalten“, und so blieb mir gar nichts anderes übrig, als diese anstrengende Arbeit hinter mir zu lassen. Neue Türen öffnen sich, neue Aufgaben zeichnen sich ab: Mein Brustkrebs-Massage-Projekt ist entstanden – ganzheitliche Körperarbeit für von Brustkrebs betroffene Frauen –, und ich bin engagiert im Arbeitskreis „Salutogenese bei Krebs“.

Ich habe meinen Weg „Glückskrebs“ genannt, denn ohne diesen Tumor und diesen Heilungsweg hätte ich die vielen beglückenden Momente nicht erlebt, die essentiellen Erkenntnisse nicht gewonnen, mein Leben nicht nachhaltig zum Besseren verändert. Ich bin dankbar für diese Erfahrungen und auch dafür, dass ich in meinem Vor-Krebs-Leben auf vielen Ebenen schon vieles integriert hatte, was die Heilung unterstützt: meine spirituelle Anbindung, ein stabiles soziales Netzwerk, Sport und Yoga, Selbstbestimmtheit, gesunde Ernährung … und Massagen. Ich bin weiter auf dem Weg.”

Kontakt zu Gabriele Ruys: www.solus-studio.de

Gabriele Ruys, TouchLife Praktikerin aus Frankfurt